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Rechtliche Aspekte des Lawinenschutzes

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Österreich, dessen Staatsgebiet zu 60% von den Alpen bedeckt ist, ist jedes Jahr wieder von der Lawinen-Gefahr betroffen. Der Lawinenschutz hat diese alljährliche winterliche Bedrohung soweit wie möglich kalkulierbar zu machen und die Gefährdung zu minimieren, schreibt Dr. Lamiss Magdalena Khakzadeh, Universitätsassistentin am Institut für Öffentliches recht, Finanzrecht und Politikwissenschaft der Universität Innsbruck in einem „rechtlichen Überblick über den Lawinenschutz“ in der Zeitschrift „Kommunal“. Die Massnahmen des Lawinenschutzes sind dabei äusserst vielfältig: Die Aufforstung eines Waldes oder der Bau einer Strassengalerie kann Lawinenschutz sein, wie auch die Sperre einer Strasse oder die Erteilung baulicher Auflagen für ein Bauvorhaben.



Dementsprechend ist die Rechtslage im Bereich des Lawinenschutzes ziemlich unübersichtlich: So finden sich lawinenschutzrechtliche relevante Bestimmungen etwa im Forstgesetz, im Wasserrechtsgesetz, aber auch in der Strassenverkehrsordnung und den Raumordnungsgesetzen. Es gibt permanente und temporäre Lawinenschutzmassnahmen. Die permanenten beziehen sich auf alle auf Dauer ausgerichteten Massnahmen des Lawinenschutzes. Temporäre werden kurzfristig und abgestimmt auf Zeit, Ort und Ausmass einer zu erwartenden Lawinenkatastrophe gesetzt.



Im Lawinenschutz haben insbesondere die gemeinden vielfältige Aufgaben zu erfüllen. Die durch die verschiedenen Lawinenschutzmassnahmen wird ein ganzes Bündel von Rechtsfragen aufgeworfen.



Permanente Schutzmassnahmen:



Technische Massnahmen: Das sind Lawinenverbauungen, wobei

Verbauungen im Anbruchgebiet und Verbauungen in der Lawinenbahn und im Lawinenauslauf zu unterscheiden sind.



Forstlich-biologische Massnahmen: Ein ungleichartiger und gut geschlossener Wald stellt einen ausgezeichneten natürlichen Schutz gegen Lawinen dar, weil er einerseits das Abbrechen von Lawinen verhindern, andererseits eine abgehende Lawine bremsen kann. Daher wird einerseits versucht, den bestehenden Wald zu erhalten, andererseits aber auch Waldflächen neu aufzuforsten.



Raumplanerische Massnahmen: Dazu gehören vor allem die Gefahrenzonenpläne nach dem Forstgesetz, die Flächenwidmungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sowie baurechtliche Massnahmen.



Im Gefahrenzonenplan werden die durch Wildbäche und Lawinen bedrohten Gefahrenlagen dargestellt. Bei Lawinen werden u. a. deren Einzugsgebiete sowie die lawinengefährdeten Bereiche und deren Gefährdungsgrad dargestellt. Der gefahrenzonenplan ist keine unmittelbar rechtlich verbindliche Norm, soll heissen, er enthält keine unmittelbar ableitbaren Gebote und Verbote. Wird etwa ein Gebiet in die rote Gefahrenzone des Gefahrenzonenplans eingereiht, so stellt dies für sich genommen kein Bauverbot dar. Dieses entsteht erst dann, wenn diese Gefährdung im Flächenwidmungsplan berücksichtigt, die Fläche also nicht als Baufläche ausgewiesen wird. Die baurechtlichen Bestimmungen haben u. a. besondere Bedeutung bei der Erteilung von Auflagen.





Temporäre Lawinenschutzmassnahmen:



Sperre: Sperrmassnahmen sind notwendig, wenn eine Fläche akut

durch eine Lawine bedroht wird. Die Zuständigkeit zur Erlassung solcher Sperren richtet sich nach der Art der gefährdeten Fläche, wobei vor allem der Sicherung von Verkehrswegen grosse Bedeutung zukommt. Dabei muss unterscheiden werden, ob es sich um eine Fläche mit oder ohne öffentlichen Verkehr handelt. Für Flächen mit öffentlichem Verkehr ergeben sich die Zuständigkeiten zur Sicherung aus der StVO, bei Flächen ohne solchen sind die zivilrechtlichen Pflichten des Halters eines Weges zu beachten, wobei im einzelnen auch die gemeinde zur Erlassung einer ortspolizeilichen Verordnung berechtigt sein kann.



Evakuierung: Ziel einer Evakuierung ist es, Personen weg von einem Gefährdungsbereich zu bringen. Die rechtlichen Grundlagen für die Räumung eines Gebietes wegen drohender Gefahr finden sich je nach Art der Gefahr in unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen. Im Zusammenhang mit Lawinengefährdungen sind hier das Sicherheitspolizeigesetz, die Katastrophengesetze der Länder, aber auch das ortspolizeiliche Verordnungsrecht der Gemeinden sowie vereinzelt die Bauordnungen zu nennen.



Künstliche Lawinenauslösung: Deren Ziel ist die kontrollierte Auslösung einer Lawine, wobei zwischen der Auslösung mit und ohne Sprengstoffen zu unterscheiden ist. Dabei gibt es wiederum verschiedene technische Methoden. Je nach angewendeter Methodenart kommen unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen zur Anwendung. Besonders zu beachten sind dabei die vielfältigen Sicherungspflichten.



Lawinenwarndienste: Diese sind Serviceeinrichtungen der Länder. Sie erheben u. a. die für die Lawinenprognosen notwendigen Daten, erstellen Lawinenlageberichte und führen Schulungen durch. Durch ihre Tätigkeit werden Sicherungspflichtige und örtliche Lawinenkommissionen sowie private Wintersportler unterstützt.



Lawinenwarnkommissionen: Sicherungspflichtige haben nicht immer das notwendige Fachwissen zur Beurteilung der Lawinensituation. Dem wird mit der Einrichtung der Lawinenwarnkommissionen begegnet: Lawinenexperten werden zur Beurteilung der Lawinensituation eingesetzt und liefen so den Sicherungspflichtigen wertvolle Entscheidungsgrundlagen. Die Lawinenwarnkommission setzt nicht selbst Massnahmen zur Sicherung, sie ist nicht entscheidendes sondern beratendes Organ. Diese Kommissionen werden in der Regel von den Gemeinden eingerichtet und haben sich zu einer tragenden Institution des Lawinenschutzes entwickelt. Es gibt für sie jedoch keine ausdrückliche rechtliche Grundlage. Tirol allerdings hat 1992 ein eigenes Gesetz über die Lawinenwarnkommissionen in den Gemeinden erlassen. In den anderen Bundesländern werden üblicherweise die Katastrophenhilfegesetze der Länder als rechtliche Grundlage für die Lawinenwarnkommissionen herangezogen, mit denen aber nicht alle Aufgabenbereiche der Lawinenwarnkommissionen abgedeckt werden. Daher wird stets die Bedeutung von Geschäftsordnungen für sie betont. Fast alle Lawinenwarndienste der Länder verfügen über Mustergeschäftsordnungen bzw. Empfehlungen für die Arbeitsweise der Kommissionen.



Auch wenn Lawinenereignisse durch technische Entwicklungen in weitem Umfang kontrollierbar geworden sind, bleiben sie dennoch Elementarereignisse mit einem Restrisiko, das zwar durch die Massnahmen des Lawinenschutzes minimiert aber nicht völlig eliminiert werden kann. Die Grenzziehung zwischen Eintritt des Restrisikos und dem menschlichen Fehlverhalten kann im einzelnen sicherlich problematisch sein. In diesem Licht sind auch die gesetzlichen Bestimmungen zu sehen: Sie dienen einerseits dem Schutz vor Lawinen, andererseits auch dem Schutz der Lawinenschützer selbst, die mit der Einhaltung dieser Bestimmungen und Sorgfaltspflichten zumindest ein Indiz dafür geben können, dass nicht Sorgfaltswidrigkeit ihrerseits sondern der Eintritt des Restrisikos schadensbegründend war. Dies verdeutlicht auch, wie wichtig für die im Lawinenschutz Tätigen die genaue Kenntnis der lawinenschutzrechtlich relevanten Bestimmungen ist.



Quelle: http://www.zivilschutzverband.at/






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